(ip/pp) In einer Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) darüber zu entscheiden, inwieweit Eigentümergemeinschaften ihre Mitglieder betreffende Hausverbote erteilen dürfen. Die Beschwerdeführerin war Wohnungseigentümerin in einer Wohnungseigentumsanlage. Sie war an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt. Ihr behandelnder Facharzt attestierte ihr, dass mit ihrer Erkrankung Verhaltensauffälligkeiten einhergingen, die sich zeitweilig in Form von Weinen, Schreien und Hilferufen äußerten. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, ihren Alltag allein zu bewältigen, sondern benötige dringend die Unterstützung ihres Lebensgefährten, der sie regelmäßig besuchte und in ihrer Wohnung übernachtete. Dieser sei die einzige Kontaktperson der Beschwerdeführerin.

Seit einigen Jahren kam es zu Beschwerden mehrerer Wohnungseigentümer mit der Begründung, durch die Beschwerdeführerin und ihren Besucher werde immer wieder die Nachtruhe der Miteigentümer in erheblicher Weise gestört. Die Wohnungseigentümer fassten dann den Beschluss, dem Lebensgefährten ein uneingeschränktes Hausverbot zu erteilen. Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Anfechtungsklage. Es fehle an einer Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Erlass eines Hausverbots. Zudem gingen von der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten keine Störungen aus. Die Beschwerdeführerin nehme gegen Abend starke Schlafmittel, so dass sie die ganze Nacht durchschlafe.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte sie eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 13, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1, auch in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Durch Art. 13 GG sei das Hausrecht der Beschwerdeführerin geschützt. Art. 14 GG garantiere die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand. Durch Art. 2 Abs. 1 GG sei die Freiheit geschützt, mit einer bestimmten Person zusammen zu leben. Der Eingriff in diese Grundrechte sei bereits deswegen rechtswidrig, weil es keine gesetzliche Grundlage für das ausgesprochene Hausverbot gebe.

Auf ihre Verfassungsbeschwerde hob das BVerfG die Entscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten. Die Richter stellten fest: “Die fallbezogene Prüfung, ob der Ausspruch eines Hausverbots gegen den Zeugen R. zur Durchsetzung der Grundrechte der übrigen Eigentümer erforderlich war oder ob mildere Mittel ausgereicht hätten, das störende Verhalten zu beseitigen, haben das Amtsgericht und das Landgericht aber nicht vorgenommen. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Wohnungseigentümer Herrn R. zur Einhaltung der nächtlichen Ruhe aufgefordert haben. Die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme spricht vielmehr dafür, dass die Wohnungseigentümer bisher nur gegen die Beschwerdeführerin selbst vorgegangen sind. Erst wenn die Aufforderung zur Unterlassung gegen Herrn R. ohne Erfolg geblieben ist und aufgrund der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, kann ein Hausverbot nach verfassungsrechtlichen Maßstäben in Betracht kommen, wobei dann - nach dem Ergebnis der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme - eine Beschränkung auf die nächtliche Ruhezeit nahe liegt.”

BVerfG, Az.: 2 BvR 693/09