(ip/pp) Ob im Bauvertrag ein Ersatz von Mehrkosten wegen einzelner Verzögerungen im Vergabeverfahren möglich ist, war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle. Die Klägerin des Verfahrens machte einen Anspruch auf streitige Mehrkosten geltend, die ihrer Meinung nach durch die verzögerte Zuschlagserteilung in einem öffentlichen Bauvorhaben entstanden sind. Das Ursprungsangebot der Firma war "freibleibend", das Angebot der Firma A. enthielt folgende Formulierungen "Unter Zugrundelegung unserer Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen bieten wir Ihnen freibleibend an ..." sodann hieß es unter dem Begriff "Preisgültigkeit": "Dieses Angebot besitzt Gültigkeit bis zum 31. Dezember” des Jahres."

Die Klägerin hatte der letzten Bitte um Zuschlagsfristverlängerung bis zum November zugestimmt und gegenüber dem Straßenbauamt V. erklärt, sie bestätige "gleichzeitig, dass wir uns bis zum vorgenannten Datum an unser Angebot halten". Das Zuschlagsschreiben der Beklagten enthielt unter Ziffer 5. den Hinweis: "Wie bereits besprochen, sind beide Bauabschnitte (1 a) und b) und 2) … durchzuführen. Die Bezahlung des Bauabschnitts 2 findet entsprechend Ihrem Nebenangebot Nr. 3 im Januar … statt."

Das Landgericht hatte zu der Frage, ob mit der Firma H. (früher A.) im Dezember noch ein Vertragsschluss auf der Grundlage des ursprünglichen Angebots vom Januar zuvor möglich gewesen sei, Beweis erhoben. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat dabei offen gelassen, ob der Mehrkostenanspruch eines Bieters sich aus einer analogen Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B, der Heranziehung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift oder aus einer ergänzenden Auslegung der vertraglichen Erklärungen ergibt. Bis zu einem Schreiben der Klägerin, mit dem sie Mehrkosten anzeigte, sei es auch nicht zu einem konkludenten Vertragsschluss zu den ursprünglichen Preisen gekommen. Im Übrigen hat das Landgericht aber Abzüge von der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung vorgenommen. Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsmittel beider Parteien, wobei die Klägerin jetzt noch einen Anspruch in Höhe von insgesamt knapp 560.000,- Euro verfolgt und die weitergehende Klage zurückgenommen hat. Die Beklagte vertieft ihren Standpunkt, ein Mehrvergütungsanspruch der Klägerin bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Das Risiko einer Verteuerung während des Zuschlagsverfahrens trage der Bieter. Eine nach Vertragsschluss erfolgte Anordnung der Beklagten im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B sei nicht erfolgt. Eine analoge Anwendung dieser nur Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellenden Vorschrift komme nicht in Betracht. Der von dem Landgericht herangezogene Grundsatz, wonach der öffentliche Auftraggeber bei einer Verzögerung der Zuschlagserteilung das Risiko zwischenzeitlich eingetretener Preiserhöhungen trage, existiere nicht. Die völlig unterschiedlichen Begründungen der bislang mit dieser Frage befassten Oberlandesgerichte zeigten, dass lediglich nach dem Motto verfahren werde, "dass nicht sein könne, was nicht sein dürfe". In allen bisherigen Entscheidungen seien vergaberechtliche Gesichtspunkte, die jedoch im Vordergrund zu stehen hätten, zu kurz gekommen. Die für die Wertung der Angebote im Vergabeverfahren maßgeblichen Kriterien nach den §§ 19 ff. VOB/A könnten nicht durch vertragsrechtliche Regelungen des BGB aufgehoben werden. Insbesondere dürften keine Nachverhandlungen erfolgen, weil andere Bewerber keine Möglichkeit mehr hätten, ihre Angebote den veränderten Umständen anzupassen, obwohl sie ihre Kalkulation möglicherweise so ausgerichtet hätten, dass sie die durch die Verzögerung des Zuschlags entstandenen Kostenerhöhungen hätten auffangen können und jetzt möglicherweise der günstigste Bieter wären. Etwaigen Manipulationen wäre dann Tor und Tür geöffnet.

Das OLG Celle entschied wie folgt:

“1. Enthält das Zuschlagsschreiben des öffentlichen Auftraggebers nach verzögerter Vergabe neue Fertigstellungsfristen, handelt es sich um eine modifizierte Annahme des Bietergebotes und damit unter Ablehnung des ursprünglichen Angebotes um ein neues Angebot i. S. d. § 150 Abs. 2 BGB.

2. In einem solchen Fall ist es Sache des Bieters, auf während der verlängerten Zuschlagsfrist eingetretene Preiserhöhungen hinzuweisen und ggf. durch erneute Ablehnung des neuen Angebotes einen neuen Preis zu verlangen.

3. Versäumt der Bieter dies, kann der öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass der Bieter trotz der eingetretenen Preiserhöhungen auskömmlich kalkuliert hatte, und ist nicht verpflichtet, sich nach Ablauf der Annahmefrist gemäß § 147 BGB auf einen geänderten Preis einzulassen.”

OLG Celle, Az.: 14 U 62/08